Die deutsche Industrie bietet Lösungen für die großen Zukunftsthemen: Elektromobilität statt Verbrennungsmotoren, eine saubere Stahlproduktion mittels Wasserstoff, Windparks unter Wasser statt endliche fossile Energien oder Technologien für einen nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln. Mensch – Maschine – Fortschritt: Welche Innovationskraft allein vom Anlagen- und Maschinenbau ausgeht, zeigte der Webtalk “Die Zukunft der größten deutschen Industriebranche” zwischen VDMA-Präsident Karl Haeusgen und Wolfgang Lemb (IG Metall) am 19. April 2021. Der Talk machte deutlich, wie Technologien aus Deutschland in unterschiedlichsten Bereichen für Lösungen sorgen.
Der Weg dahin ist allerding oft steinig. Ein Selbstläufer sind die Technologien „developed and produced in Germany“ nicht. Karl Haeusgen und Wolfgang Lemb appellierten an die Politik im Bund und in Europa, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, Handelsbarrieren zu beseitigen und bei der Forschungsförderung auf innovative Projekte und auch auf die Qualifizierung von Fachkräften zu setzen. Vor dem Hintergrund der Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) warnte Karl Haeusgen außerdem davor, sich vom Fortschritt selbst abzuschneiden, weil in der KI liegende „Möglichkeiten und Chancen bereits in einer ganz frühen Phase erstickt“ werden könnten.
Im Dialog mit der EU
Dabei strebt das Bündnis #ZukunftDerIndustrie keine deutsche Insellösung an, sondern ist strikter Verfechter einer nachhaltigen Industriestrategie für Europa. Das betonten Vertreter des Bündnisses während eines Politischen Dialogs am 21. April 2021 zur Industriestrategie der EU mit Kerstin Jorna, als EU-Generaldirektorin zuständig für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU. An dem konstruktiven Gespräch nahmen neben anderen Vertretern des Bündnisses Hans Jürgen Kerkhoff (WV Stahl), Wolfgang Lemb (IG Metall), Günther Deutsch (BDI) und Markus Heß (BMWK) teil. Die Industriestrategie der Europäischen Kommission müsse über einen starken Fokus auf Innovation und Technologie sowie Qualifizierung der Beschäftigten dazu beitragen, dass sich aus der wirtschaftlichen Erholung Europas rasch ein zukunftssicherer und klimaneutraler Industriekontinent entwickelt, wie die Vertreter des Bündnisses betonten.
Notwendig sind zum Beispiel die Stärkung der industriellen Wertschöpfungsketten gerade auch in der ökologischen Transformation oder die Verbesserung vorhandener Förderinstrumente wie IPCEIs (Important Projects of Common European Interest).
Nationale Standortfaktoren
Aber auch in Deutschland müssen noch diverse Hausaufgaben gemacht werden, damit die Industrie auch in Zukunft für die Gesellschaft Wachstum, Wohlstand und dauerhaft gute Arbeitsplätze sichert. Standortfaktoren wie Unternehmensbesteuerung, Bürokratie und Ausbau der Ladesäulen- und IT-Infrastruktur spielen dabei eine wichtige Rolle. Und insbesondere die in Deutschland vergleichsweise hohen Energiekosten „wirken wie ein Klotz am Bein“, sagte Joachim Lang (BDI), „wenn wir die Gesellschaft elektrifizieren wollen.“ Am Ende gehe es darum, dass die deutsche Industrie die Technologieführerschaft erringe, sowohl bei der Elektifizierung als auch in der Wasserstofftechnologie. Der BDI-Hauptgeschäftsführer diskutierte am 13. April 2021 im Rahmen der HANNOVER MESSE Digital Days mit Daniela Cavallo (Konzern- und Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Volkswagen), Wolfgang Weber (ZVEI), Klaus-Hasso Heller (VDMA, Aerzener Maschinenfabrik) und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil zum Thema “Just Transition zum Innovationsstandort Deutschland”.
Von der Notwendigkeit einer flächendeckenden Digitalisierung
Webtalk statt Ausstellung in den Messehallen vor Ort – gerade die Corona-Krise hat offenbart, wie wichtig die Digitalisierung und die flächendeckende Verbreitung digitaler Netze für die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft auf allen Gebieten sind. Das gilt auch für die Industrie. „Den Unternehmen muss die Möglichkeit gegeben werden, die Digitalisierung innerhalb der Fertigung voranzutreiben, allerdings müssen zuvor noch einige Voraussetzungen geschaffen werden“, erklärte Klaus-Hasso Heller und verwies dabei insbesondere auf den flächendeckenden Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards. Gerade auf diesem Gebiet sollte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. Die Handlungsempfehlungen, die das Bündnis #ZukunftDerIndustrie Ende 2020 vorgelegt hat, sehen das Potenzial, „Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für 5G zu entwickeln.“ Denn „in Europa erforschte und entwickelte Innovationen“ sollten „auch verstärkt in Europa zur Marktreife gebracht werden“.
Mit qualifizierten Fachkräften die Zukunft entwerfen und produzieren
Technische Voraussetzungen allein reichen jedoch nicht aus, damit die deutsche Industrie auch in Zukunft Spitzenpositionen bei der Entwicklung und Produktion neuer Technologien einnehmen kann. Ohne die individuellen Kompetenzen und das nötige Know-how der Beschäftigten funktioniert all das nicht. „Ein Land, das versucht vorne zu sein in der technischen Entwicklung ist darauf angewiesen, dass entsprechend gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stehen“, betonte Klaus-Hasso Heller und plädierte dafür, die Industrie noch stärker mit Universitäten und Hochschulen zu vernetzen. Handlungsbedarf bei der Fachkräftesicherung sieht auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil: „Beim Qualifikationsniveau von Beschäftigten werden wir noch deutlich nachlegen müssen“, bestätigte er und berichtete, dass sein Bundesland aktuell daran arbeitet: „In Niedersachsen werden derzeit 50 Digitalisierungsprofessuren besetzt, mit denen wir insbesondere die Informatikstudienplätze wesentlich erhöhen wollen, ein ganz wesentlicher Punkt zur Fachkräftesicherung.“
Dabei müssen nicht nur die Fach- und Führungskräfte von morgen müssen fit gemacht werden für die neuen Herausforderungen. Auch die Beschäftigten, die bereits in den Betrieben arbeiten, müssten auf diesem Weg mitgenommen und für neue Aufgaben qualifiziert werden, betonte Daniela Cavallo. „Wir müssen ihnen aufzeigen, dass sie auch in Zukunft noch gute Arbeitsverhältnisse, gute Entgelte und eine Zukunftsperspektive haben.“
Erfolgreiche Industriepolitik verfolge das Ziel einer in sozialer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht nachhaltigen Standortpolitik. Deutschland müsse sowohl Leitmarkt als auch Leitanbieter innovativer Technologien sein, formulierte Wolfgang Weber. Am Beispiel seiner Branche betonte er die Rolle der Industrie als Enabler in Zukunftsbereichen wie Elektrifizierung und Digitalisierung.
Innovation und Technologien können einen wesentlichen Beitrag für Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung leisten. Darauf zielt der Einsatz der Politik, Unternehmen und Gewerkschaften im Bündnis #ZukunftDerIndustrie ab.